"Erleuchtung" I

Ihre Bedeutung auf dem christlich-mystischen Entwicklungsweg

Sich dem Begriff der Erleuchtung und der dahinter stehenden Erfahrung zu nähern, ist aus zweifacher Sicht schwierig. Der erste Grund ist ein natürlicher und besteht darin, dass hiermit eine Erfahrungsebene angesprochen wird, die jenseits unserer Begrifflichkeit liegt. Der zweite Grund ist, dass dieser Begriff von der spirituellen Bewegung der Gegenwart sehr strapaziert wird, indem er von immer mehr Menschen im Allgemeinen für sich beansprucht wird.
Wir dürfen uns unter diesen Erfahrungen, welche mit dem Begriff der Erleuchtung verbunden werden, nicht etwas ganz außerhalb unserer Wahrnehmung Liegendes vorstellen, obwohl immer wieder betont wird, dass man eigentlich über diese nichts sagen kann, da sie außerhalb aller Begrifflichkeit liegen. Ich glaube jedoch, dass man durchaus einiges darüber zu sagen vermag, da zwischen den Menschen ständig über die Begrifflichkeit hinaus kommuniziert wird. Begriffe allein können die Erfahrung der Erleuchtung nicht erfassen, doch der Mensch ist nicht nur ein Begriffs-, sondern vor allem ein Seelenwesen mit all der darin liegenden Vielfalt der Möglichkeiten, die noch schlummernden Entsprechungen zu finden. Wir sollten nicht davon ausgehen, dass der Andere etwas nicht verstehen oder nachvollziehen kann, sondern uns gegenseitig helfen, das Wissen zu finden, welches in jedem von uns schlummert. Und es ist durchaus hilfreich, sich mit einem reichen Begriffsschatz auf die Reise zu begeben, einem solchen der uns nicht bindet, sondern richtungs- und wegweisend ist.
Immer mehr Menschen berühren, meist unvorbereitet, das heißt, ohne ihre eigene Person zuvor verobjektiviert zu haben, die ersten übersinnlichen Ebenen. Gehen wir auf deren Schilderungen ein, so entsteht meist der Eindruck, dass es sich hier um Erfahrungen handelt, die im Vergleich zum vorherigen, meist sehr unterschiedlichen Bewusstseinszustand als ein erleuchtet-Werden erlebt wurde.
Jemand, der in einem stark von Empfindungen geprägten Seelenzustand lebt, wird die eventuell plötzlich durchbrechende Ich-Wahrnehmung als ein Erwachen zu sich selbst verstehen. Wenn ein anderer Mensch, der die Welt verstärkt intellektuell wahrnimmt durch eine stimmungsvolle Situation unerwartet in eine Seelenruhe kommt, in der das unruhige Denken seinen Frieden erfährt, kann diese Erfahrung ebenfalls als eine Erleuchtung verstanden werden, vor allem, wenn sie von einem tiefen Frieden und dem Gefühl der Glückseligkeit begleitet wird.
Andere Erfahrungen, in denen die Persönlichkeit und das gewöhnliche Ich für Augenblicke eine Transzendierung erfahren, werden jedoch meist überbewertet. Beim Erahnen des äußersten Saumes der Göttlichkeit wird bereits vom „Eins-Sein“, oder von der endgültigen „Befreiung“, gesprochen. All diese Erfahrungen sollen nicht abgewertet werden, doch gehört zu einer inneren Schulung unabdingbar die Entwicklung einer „heiligen Nüchternheit“
Versteckte Eitelkeiten, können durch solche Erfahrungen verstärkt hervortreten, und sind nicht selten die Antriebsfeder zur Gründung einer spirituellen Gemeinschaft, die dann durch ein gegenseitiges sich bindendes und unfreies Verhältnis von Lehrer und Schüler charakterisiert ist; Schüler, die alle ihre Hoffnungen und Ideale in den Lehrer, und Lehrer, die eigene egozentrische Neigungen in die Schüler projizieren, und dann in ihnen mit den fraglichsten Mitteln zu bekämpfen suchen.
Auffallend ist, dass fast in allen esoterischen Bestrebungen im Westen die östliche Seelenstimmung, die Hinwendung zum Kosmischen, und das damit verbundene Verständnis über den Weg und das Ziel einer inneren Entwicklung lebt. Dies hängt damit zusammen, dass der Westen die esoterischen Sichtweisen und praktischen Übungen vorwiegend durch die Begegnung mit dem Osten aufgenommen hat.

Die Hinwendung zum Osten
In den 60er und 70er Jahren wandten sich viele junge Menschen des Westens, die mit ihren Fragen nach innerer Entwicklung in den eigenen religiösen Überlieferungen keine Entsprechung fanden, nach dem Osten. Im Osten wurde vielfach die unmittelbare meditative Erfahrung der äußeren Zeremonie und dem Glaubensbekenntnis vorgezogen.
Dieser spiritueller Weg hatte im Osten Tradition, während er im Westen durch die Kulturgeschichte hindurch von der Kirche unterdrückt und verfolgt worden war, so dass er vom allgemeinen Kulturleben nicht aufgenommen werden konnte.
Vor allem entfaltete der meditative Erkenntnisweg des Buddhismus eine Anziehungskraft auf viele Menschen des Westens, so dass hier buddhistische Zentren gegründet wurden. Auch Gurus aus der hinduistischen Tradition fanden viele Anhänger.
Die Generation der Suchenden aus dem Westen verinnerlichten die östliche Philosophie und begannen dann selbst im Westen esoterische Schulen zu gründen. Obwohl die Art und Weise des Lehrens teilweise äußerlich dem westlichen Menschen angepasst wurde, so lebt darin dennoch die selbstverständliche Anschauung der östlichen Esoterik, unter innerer Entwicklung eine weite Hinwendung zum Kosmos zu verstehen, wodurch der Kultur und materiellen Welt eine zweitrangige Bedeutung zugemessen wird. Die Erfahrung der Erleuchtung als Ziel des inneren Strebens steht im Vordergrund.
Somit zeigen die meisten esoterischen Lehrer des Ostens und die vom Osten geprägten wenig Verständnis für den kulturellen Hintergrund des Einzelnen und für die Aufgaben der verschiedenen Hemisphären der Welt in Bezug zur Evolution des menschlichen Bewusstseins. In einer schon als naiv zu bezeichnenden Weise werden die bestehenden Unterschiede verneint.
Auf der seelischen Ebene sind Menschen jedoch sehr unterschiedlich. Und diese verschiedenen Seelennuancen finden wir nicht nur zwischen den einzelnen Menschen, sondern auch zwischen den Völkern und dem Osten und Westen der Welt. Dies können wir bejahen, ohne die andere Ebene, auf der wir uns als eine Menschheit im Ich wahrnehmen zu verneinen.
So können wir heute noch Zusammenkünfte von indischen Gurus mit ihren westlichen Schülern erleben, bei denen eine Elefantenstatue angebetet wird und die Menschen sich vor ihrem Meister zu Boden werfen. Natürlich können wir das theoretisch als eine Huldigung des Göttlichen in allen Aspekten der Erscheinungen erklären. Doch darauf kommt es nicht an, denn der westliche Mensch kann diese Bilder und Handlungen mit seiner Seele nicht ausfüllen und lähmt dadurch sein ihm innewohnendes Potential. Im westlichen Menschen leben andere imaginative Bilder. Und mag sich der Mensch noch so frei von allen Überlieferungen seiner Kultur und derer „veralteten“ christlichen Symbolen wähnen, so kann er eines Tages überrascht feststellen, mit welcher Selbstverständlichkeit in der Tiefe seiner Seele all die imaginativen Bilder in ihm neu gebildet werden.
Wie notwendig die Entfremdung des heutigen Menschen von religiösen Symbolen für die Entfaltung seines Selbstbewusstseins auch war, wird sie ihn, wenn diese Bilder nicht bewusst neu ergriffen und mit der Wärme der Seele durchdrungen werden, immer mehr in eine abstrakte Spiritualität führen und dadurch dem Leben entfremden.
Wir können die Ausdrucksformen und das Verständnis der gewordenen Religionen aus unserem Selbstverständnis heraus ablehnen, jedoch nicht deren inneren Wahrheitsgehalt und die damit verbundenen imaginativen Bilder der jeweiligen Kultur. Imaginationen unterliegen nicht dem Zeitgeschmack. Der Mensch ist es, der in der Zeit Neigungen entwickelt und sie wieder verwirft. Die Wirksamkeit dieser Bilder liegt jedoch in ihrer Wirklichkeit, sie sind Abbilder unserer eigenen Wesenheit und Kultur und können nicht aus einer anderen „ausgeliehen“ werden.
Selbst Dalai Lama, der durch seine Güte und Weisheit großes Ansehen genießt, stellte nach Jahrzehnten der Erfahrung des Buddhismus mit unserer Kultur fest, dass es für den westlichen Menschen schwer, wenn nicht unmöglich sei, sich aus seiner Kultur zu lösen, um einen ihm seiner Natur nach fremden spirituellen Weg zu gehen. Der westliche Mensch solle, so empfahl er, um nicht eventuellen seelischen Schaden zu nehmen, in seiner eigenen Kultur die darin gewachsenen spirituellen Wege suchen.
Der innere Weg ist kein bequemer, der durch Äußerungen wie „Loslassen“, „sich vom begrifflichen Denken befreien“ oder „sich an den Augenblick Hingeben“ bewältigt werden kann. Wenn auch Wahrheit in diesen Vorstellungen liegt, so entfalten sie ihre Wirksamkeit erst in der Auseinandersetzung mit den eigenen lieb gewordene Tendenzen und Neigungen. Die heutige allgemeine esoterische Welle liebt jedoch diese Differenzierungen und ihre Anstrengung nicht.
Im Westen besteht damit die Neigung, uns exotisch anmutende Lamas und Gurus in ihren Möglichkeiten nicht realistisch einzuschätzen. Auch eine Persönlichkeit wie Dalai Lama gibt offen zu, dass er für anstehende Entscheidungen Würfel zu rate zieht. Und wenn die Tibeter die nächste Inkarnation eines hochstehenden Lamas bestimmen wollen, dann achten sie auf ihre Träume und befragen das sich in einen Trancezustand begebende Orakel. Vollbewusste übersinnliche Forschung ist eine sehr seltene Fähigkeit.
Doch die Reife eines Menschen drückt sich nicht allein in seinen Fähigkeiten aus, sondern vor allem in seiner Wahrhaftigkeit. So zeugt es von innerer Schönheit, wenn Dalai Lama sagt, dass er sich selbst nicht sicher sein kann, ob die Lamas wirklich in ihm die Inkarnation seines Vorgängers gefunden haben. Ein anderer hochstehender Lama antwortete auf die Frage, ob er sich an sein früheres Leben erinnere, er wäre froh wenn er sich an alles erinnern könnte was noch gestern gewesen ist, geschweige denn an ein früheres Leben.
Wie wertvoll die Begegnung mit der Spiritualität des Ostens für den westlichen Menschen auch ist, in dem sie ihn auf eine erweiterte Dimension des Seins und seiner Wesenheit hinweist, kann sie für ihn nur der Beginn seiner eigenen Suche sein und darf nicht dazu führen, seine geistige Kultur zu verleugnen. Der Osten wird uns unsere verlorengegangenen spirituellen Wurzeln nicht ersetzen können, doch er kann uns inspirieren, unseren eigenen christlichen Strom wiederzufinden und zu verstehen. Allein das, was wir aus uns selbst heraus hervorbringen werden können, wird wiederum befruchtend auf den Osten wirken. Der bisherige polare Pendelschlag der Entwicklung hat immer noch seine Bedeutung und seinen Sinn und jedes Bemühen, welches diesen Umstand ignoriert, hindert den Fluss der Menschheitsentwicklung.

Um sich nun dem Bewusstseinszustand der Erleuchtung zu nähern, ist es zuvor, wenn auch in einer zusammengefassten Form nötig, auf die Verwandlung der inneren Seelenkräfte einzugehen, die sich auf einem meditativen Weg vollziehen und die Voraussetzung zur Erfahrung der Erleuchtung bilden.

Die drei Stufen der Aufmerksamkeit
So wie der Tag langsam in den Abend übergeht oder die Morgendämmerung die Dunkelheit der Nacht allmählich erhellt, ist der innere Weg stufenlos. Danach können wir ihn um des Verständnisses Willen in drei Abschnitte gliedern, die die wesentlichsten inneren Veränderungen aufzeigen.
Jede innere Entwicklung beruht auf zwei grundlegenden Seelenkräften, die der Hingabe und die der Aufmerksamkeit, was in den Evangelien als zwei Wege zur Krippe mit dem Kind beschrieben wird, den der Hirten und den der Könige.
Diese sind jedoch auf dem inneren Weg zur Entfaltung der Seele streng genommen nicht zu trennen. Weder Erkenntnis ohne Hingabe, noch Hingabe ohne Erkenntnis ist möglich und dennoch haben sich durch die verschiedenen Veranlagungen der Menschen in allen Kulturen mannigfaltige spirituelle Wege entwickelt, die in ihrer Ausprägung diesem Umstand auf verschiedene Art Rechnung tragen.
Welcher Schule des Ostens oder des Westens wir uns zuwenden, wie verschieden die Ansätze auch sein mögen, alle haben zuerst das gleiche Anliegen, den Menschen langsam von der Vorstellung zu lösen, nur die „Person“ zu sein.
Ich gehe hier auf den Erkenntnisweg der Aufmerksamkeit ein. Wenn wir dann später die verschiedenen Ebenen der Erleuchtung behandeln, können wir feststellen, dass die unterschiedlichen inneren Tendenzen des Menschen und der Kulturen bis in diese hinein zum Tragen kommen.
Immer wieder begegnet uns in den unterschiedlichen esoterischen Lehren der Begriff des „Beobachters“, oder des „Zeugen“. Meist werden sie in der Weise benützt, als wäre damit ein Seins-Zustand verbunden, der als Ziel der inneren Entwicklung anzustreben sei. Vor allem Menschen intellektueller Sichtweise werden sich von dieser Anschauung angezogen fühlen, da sie in ihr die Entsprechung zu ihrer eigenen Seelenhaltung finden.
Da durch diese Begriffe eine bewusste innere Schulung eingeleitet werden kann, möchte ich an sie anknüpfen, obwohl. sie nach meiner Anschauung erst die erste Stufe der Aufmerksamkeit auf einem dreigliedrigen Weg zur Bewusstwerdung seiner Selbst und Realisierung der ersten Ebene der Erleuchtung darstellen. Der Seelenzustand des Beobachters, den wir alle kennen, ist nicht selbstverständlich allein dadurch eine reine Wahrnehmung, dass wir uns nun zu dem, womit wir uns zuvor identifiziert haben, distanziert verhalten. Er ist vielmehr der letzte Zufluchtsort des an das Haupt gebundenen Ich- Bewusstseins. Das bestimmende Element dieser inneren Haltung ist das der Polarität von Innen und Außen oder das des Beobachters zu dem Objekt seiner Wahrnehmung. Somit ist diese Wahrnehmung nicht frei, sondern durch den subtilen Hintergrund der im Menschen lebenden Neigungen und Tendenzen bestimmt. Solange dieser Seelenzustand des „Beobachters“ auf der ihm zustehenden Ebene gelebt wird, entsteht kein Problem. Dieses entsteht erst, wenn voreilig angenommen wird, dass der Beobachter-Zustand ein Seins-Zustand sei, durch den man auf ein übergeordnetes Ich oder eine Individualität schließen kann.
Erst wenn die wirkliche Erkenntnis entsteht, dass der Beobachter nur ein auf sich bezogenes geronnenes Abbild des Beobachteten ist und seine Erinnerungen und gebildeten Vorstellungen das Ergebnis der Sinneswelt sind, dann beginnt sich das Seelenleben aus der Gebundenheit an das Haupt zu lösen und erlangt die zweite Stufe der Aufmerksamkeit, die des Schauens. Hier beginnt der eigentliche Seelenzustand der Meditation.
Im Seelenzustand der Meditation verändert sich unser Vorstellen und Empfinden der Welt. Das gewohnte Erleben der Tiefendimension des Raumes, bleibt uns zwar erhalten, verliert jedoch seine bindende Wichtigkeit zugunsten einer mehr bildhafteren Sichtweise. In dieser leuchtet uns wiederum eine bis dahin verborgene Raumesdimension der Wirklichkeit auf, indem diese mehr als Seelen,- Licht und Raumqualitäten erfahren wird. Es wird uns zum Erlebnis, dass wir die dritte Dimension des Raumes ständig durch den mehr begriffsbildenden vorderen Teil des Hauptes erschaffen, während die meditative Schauung ihre Zuordnung mehr im hinteren Bereich des Hauptes hat.
Die Vorstellung der Raumestiefe hält unsere Seele in der „horizontalen Ebene“. Mit der Abnahme der Tiefendimension vermögen wir verstärkt die Vertikalebene unserer Wesenheit zu erleben, wodurch wir uns zu der Welt der Sinne in ein freieres Beziehungsverhältnis treten. Wird darin die Geisteskraft der Aufmerksamkeit stetig aufrechterhalten ohne sich in einem bestimmten Bereich unserer Wesenheit zu zentrieren, so dass sie ohne innere Anstrengung eine natürliche Seelenhaltung zu werden beginnt, differenziert sich mit der Zeit unsere Wahrnehmung. Sahen wir zuvor die Objekte der Sinne im Raum, so verlagert sich die Sichtweise derart, dass nun der Raum als eine unmittelbare Entsprechung zum eigenen Bewusstsein zu leben beginnt. Dabei beinhaltet er sowohl die zuvor isoliert erlebten Objekte, als auch die eigene Person. Der Raum ist von unterschiedlichen Qualitäten erfüllt und die Objekte stellen nur das äußere Kleid dieser „Raumeseigenschaften“ dar. In dieser gesteigerten Aufmerksamkeit sind die Polaritäten von Innen und Außen Anteile der einen Welt.
Diese sich verfeinernde Wahrnehmungsprozesse bildet den Übergang vom Schauen zum Bewusstsein und leitet die dritte Stufe der Aufmerksamkeit ein. Darin wird sich die Geisteskraft der Aufmerksamkeit ihres eigenen Ursprungs und des ihr zugrundeliegenden reinen Bewusstseins gewahr. Wir können diese drei Stufen der Aufmerksamkeit als:

1. Sehen (Beobachter)
2. Schauen ( Meditation)
3. Bewusstsein (innewerden der Natur des Bewusst-Seins)

bezeichnen.
Die Fähigkeit zur dritten Stufe der Aufmerksamkeit bildet die Voraussetzung dazu, die erste Ebene der Erleuchtung als ihre kosmische Entsprechung zu realisieren. In ihr erfährt der Mensch durch die Überwindung der körperlichen Begrenzung zum ersten Mal die kosmische Seins-Dimension seiner Wesenheit.

Die erste Ebene der Erleuchtung
Die erste Ebene der Erleuchtung kann am zutreffendsten als ein Erwachen zu der Natur des eigenen Bewusstseins bezeichnet werden.
Durch die beschriebene Steigerung der Seelenkräfte der Aufmerksamkeit und die damit verbundene Loslösung der Seele von den sie am physischen Leib haltenden Vorstellungen, wird die Voraussetzung gebildet, dass sich das Ich und die Seele des Menschen vom Physischen lösen.
Unser Ich löst sich aus der Zentriertheit zwischen den Augen und „fällt“ die Leibesachse hinab zu den „dunklen Hallen“ am Grunde der Wirbelsäule. Über sich schaut es die „Himmelpforte“, durch die das Blau des „Himmels“ hineinscheint. In diesem Augenblick erlebt das Ich die „Himmelfahrt“. Es steigt durch die Leibesachse hinauf, löst beim Durchschreiten der „Pforte des Hauptes“ auch den Seelenleib vom physischen Körper und erweitert sich plötzlich zum blauen Bewusstseinsraum, der wie von Sternenfunkeln durchdrungen ist. Wenn wir aus dem Hintergrund dieser Erfahrung die Darstellungen Marias mit dem blauen, sternenbesetzten Mantel betrachten, dann verstehen wir, dass die christlichen Künstler hier den kosmischen Aspekt Marias, der in der esoterisch christlichen Anschauung als die „göttliche- oder kosmische Jungfrau Sophia“ bezeichnet wird, dargestellt haben.
Wir erleben eine vollkommene Reinheit unserer Seele gleichsam als einen von unserem Bewusstsein gebildeten Raum. Wir sind selbst diese raumdurchdringende Seele in ihrer Reinheit. Es ist ein engelhafter Zustand, der jedoch von Mangel an Willensimpulsen und Ich-Qualität gekennzeichnet ist. Unsere Seele befindet sich in ihrem ursprünglichen Zustand, leer von aller Begrifflichkeit, wodurch eine polare Spannung zwischen Bewusst-Sein und Leere, zwischen Sein und Nicht-Sein entsteht.
Darin haben wir den seelischen, den astralen Aspekt dieser Erfahrung. Doch die Ursache dieses sich Lösens der Seele vom Körper war ja die „Himmelfahrt“ des Ich gewesen, welches sich nun in einer völlig begriffsfreien Welt wiederfindet und sich dennoch bewahren kann. An diesem Punkt entsteht für die Erkenntnisfähigkeit des Menschen eine fast unlösbare Aufgabe. Einerseits haben wir den Bewusstseinsraum, der wir selbst sind und zugleich ein Ich, welches sich dazu in ein Verhältnis zu setzen beginnt, indem es sich auf seine Person, die es in der Zeit war, besinnt.
In diesem Zustand der Zeitlosigkeit ist uns also durch das Ich die Fähigkeit des sich Erinnerns geblieben. Was das Verständnis des Ichs in diesem Zustand so erschwert ist der Umstand, dass das Bewusstsein selbst ein „Wahrnehmungsorgan“ ist und nicht mit dem Ich des Menschen gleichgesetzt werden kann. Wir können das Bewusstsein als leeren, zeitlosen, reinen, ursprünglichen, grenzenlosen Raum beschreiben. Doch für das Ich können wir nichts Entsprechendes finden, außer es als einen dimensionslosen Punkt eines sich in jedem Augenblick aufs Neue vollziehenden Schöpfungsaktes bezeichnen.
Der christliche Mystiker Angelus Silesius mag sich auf die gleiche Erfahrung bezogen haben, als er schrieb:

Ich weiß nicht, was ich bin; ich bin nicht, was ich weiß;
Ein Ding und nit ein Ding, ein Stüpchen und ein Kreis.


Nur durch die Leere, durch das Nicht-Sein des Bewusstseins in Bezug zum Gewordenem, sowohl auf der sinnlichen als auch auf der geistigen Ebene, ist uns die Möglichkeit des Erkennens gegeben. Diese seelisch-geistige Gesetzmäßigkeit können wir durchaus auch mit unserem gewöhnlichen Denken verstehen. Wenn wir etwas erkennen wollen, müssen wir einen inneren Hintergrund oder Bezugspunkt haben der „nicht ist“. Wasser z.B. erkennen wir durch „nicht Wasser“, Baum durch „nicht Baum“, Form durch „Nicht Form“ (Raum). Wir könnten Wasser nicht erkennen, wenn alles Wasser wäre. Somit ist die Existenz des Ungewordenen eine Voraussetzung, um das Gewordene im Allgemeinem zu erkennen. Und dieses Ungewordene, das wir im Vergleich zu dem Gewordenen als „leer“ bezeichnen, hat die Fähigkeit, sich seiner Selbst bewusst zu werden, doch vermag es uns nicht unmittelbar zum Sein unseres Ich zu führen, da das Ich kein zu realisierendes Ziel, sondern immerwährende Quelle ist. Die Versuchung, diese erste Ebene der Erleuchtung als das letzte Ziel zu verstehen, ist groß, da wir uns darin zum ersten Mal als ein kosmisches Selbst erfahren.
Fast alle heutigen Beschreibungen der Erleuchtung beziehen sich auf diese erste kosmische Seelen- oder Astralebene, was sich in den gewählten Charakterisierungen „reines Bewusstsein“, „Zeuge“, „absolutes Subjekt oder „ichlose Leere“ ausdrückt. Von dem vom Körper losgelösten und auf der kosmischen Ebene neu erwachten Ich, welches sich in ein Verhältnis zu dieser Bewusstseinssphäre setzt, ist jedoch nicht die Rede.

Stellen Sie sich vor, sie sollen nun für alle Ewigkeit als ein absolutes Subjekt ohne innere Anteilnahme Zeuge des Geschehens sein. Dieser Zustand entspricht auf der kosmischen Ebene der Engelssphäre, bevor diese von den göttlichen Impulsen „durchglüht“ wird. Auf die physischen Ebene übertragen würde er jedoch eher die innere Verfassung eines autistischen Menschen. Bedeuten. Übersinnliche Erfahrungen verführen den Menschen heute leicht, Zustände anzustreben, die im normalen Alltag als krank bezeichnet würden.
Obwohl üblicherweise die Erfahrung der Erleuchtung derart verstanden wird, als sei sie jenseits der Polarität und die Grundlage der Überwindung aller Gegensätze, können wir in Bezug zu der ersten Erleuchtungserfahrung unterschiedliche Interpretationen innerhalb der Religionen feststellen.
Der Buddhismus wählte in seiner Geschichte verstärkt den Aspekt des Nicht-Seins, der Leere, des unpersönlichen Gottes, obwohl der Buddha selbst den „mittleren Weg“ betonte, indem das Göttliche weder persönlich noch unpersönlich sei. Das Christentum stellte in seiner Lehre die Form des Seins, des Persönlichen in den Vordergrund. Die Entscheidung beruht nicht auf Wahrheit oder Missverständnis, sondern auf den verschiedenen Aufgaben der östlichen und westlichen Hemisphäre, die sich gegenseitig in der Evolution des menschlichen Bewusstseins bedingen. Somit kann diese Entscheidung, die jeder für sich an diesem Punkt fällt, nicht mit der Vorstellung von Wahrheit oder Unwahrheit beurteilt werden, da sie Ausdruck der Grundpolarität des reinen Bewusstseins, des Seins und Nicht-Seins oder der Leere und Form sind.
Da wir hier von Erfahrungen der inneren Entwicklung und nicht von Zuständen sprechen, ist es eine Tatsache, dass jede noch so große Erfahrung ihre „Zeitdauer“ hat. Sie kann uns im besten Falle eine innere Kraft und ein Bild des zu werdenden Menschen geben. Die eigentliche Vertiefung findet jedoch in unserem gewöhnlichen Leben statt, welches in Bezug dazu nicht genug in seiner Bedeutung geschätzt werden kann.
So war der Buddhismus in seinen Anfängen stark von den „vier edlen Wahrheiten“ geprägt, die zur Überwindung von Leid und somit von der Inkarnation führen sollten. Es entwickelte sich das Ideal des „Arhat“, der seine persönliche Erlösung anstrebt, die Gewissheit, nicht wiedergeboren werden zu müssen.
Nach der christlich-esoterischen Anschauung ist die Grundlage dieser ersten Ebene der Erleuchtung die Engelssphäre, die der Mensch durch Läuterung seiner Seele auch im Physischen zu verwirklichen vermag, so dass sein eigenes „Seelenkleid“ in reinem Blau erstrahlt und dem der Engel gleich wird. Dadurch muss der Mensch nicht mehr den unbewussten Neigungen, welche zur Inkarnation führen, folgen. Diese Stufe streben die Arhats, aber auch viele Suchenden innerhalb der westlichen spirituellen Bewegung, wenn auch nicht immer bewusst, an. Sie entscheiden sich dadurch für die persönliche Befreiung, also für einen kosmischen Weg, der sie von der Erdevolution herauslöst. So war und ist die erste Ebene der Erleuchtung, das Überwinden des Kreislaufes der Wiedergeburten, für die meisten spirituell Suchenden das letzte Ziel ihres Bemühens.
Doch das wiederholte Erdenleben bedeutet Entwicklung und keinen geschlossenen, sondern einen offenbleibenden Kreis, der sich im Prozess des Werdens spiralförmig nach oben entfaltet.
Mit dem Begriff der Erleuchtung wird im allgemeinem die „letzte Wahrheit“ verbunden. Unser gewöhnliches Verständnis von Wahrheit hat jedoch meist etwas Absolutes an sich, was mit der Vorstellung zusammenhängt, dass etwas entweder falsch oder richtig, unwahr oder wahr ist. So soll uns die Erleuchtung zu der eigentlichen und letzten Wahrheit bringen, so als wäre die Schöpfung ein statisches Gebilde mit klarumrissenen Grenzen, mit einem Weg und Endziel.
Als der im Westen durch sein Buch „Autobiographie eines Yogi“ bekannt gewordene Guru Yogananda seinen Meister bedrängte, er solle ihm den Sinn der Schöpfung verraten, verwies ihn dieser auf die Ewigkeit, für diese solle er sich seine letzten Fragen bewahren.
Und als Rudolf Steiner einmal von einem Zuhörer bedrängt wurde, ihm die letzte Wahrheit zu nennen, antwortete dieser, wenn er ihm die vorletzte sagen könne.
Zu sehr ist unsere Fragestellung an die Erfahrungen der Sinneswelt gebunden. Wie in jeder Kunst kann der Mensch jedoch auch auf dem inneren Weg die Erfahrung machen, dass er, wenn er auch noch so weit geht, irgendwann zu seinen Ursprüngen zurückkehrt, um den Weg auf einer höheren Ebene aufs Neue zu durchlaufen. Die Basis dazu ist uns jedoch immer das Mensch-Sein, nicht ein Engel- oder ein Erleuchtet-Sein, denn der höchste Ausdruck der Transzendenz ist nicht das Zurückkommen zu dem was wir waren bevor wir uns inkarnierten, sondern zu dem zu werden, was wir sind, nämlich Mensch in seiner Schlichtheit und Größe.
Unter diesem Aspekt kann die erste Ebene der Erleuchtung für den suchenden Menschen eine Quelle der Kraft und ein Bild des zu Werdenden darstellen, jedoch nicht sein endgültiges Ziel. Er erkennt, dass für jede noch so große spirituelle Erfahrung die eigentliche Vertiefung erst in unserem „gewöhnlichen“ Leben stattfindet.
Die verschiedenen Ebenen der Erleuchtung sind charakterisiert durch das unmittelbare intuitive Erleben unserer übersinnlichen Leiblichkeit, in ihrem geläuterten Aspekt, gleichsam Ausblicke auf das jeweils auf der physischen Ebene als nächstes zu realisierende Ziel. Dennoch sind wir immer freie Wesen, die selbst über unsere weitere Entwicklung zu entscheiden haben und unser Impuls wird durch kulturelle und individuelle Motive bestimmt. Wir werden im ganzen Kosmos kein moralisches Gesetz finden, das uns Konsequenzen beim Nichteinhalten einer Notwendigkeit androht oder uns einen Glauben abverlangt. Dennoch wird nur eine moralische Entwicklung Früchte tragen. Die Freiheit des Einzelnen ist eine selbstverständliche in Liebe gegründete Tatsache, bei der jedoch wie im Physischen, Gesetzmäßigkeiten wirken.
Jede Ebene, auch die der Erleuchtung, beinhaltet einen Keim, der über sich hinaus weist, um nicht in einen inneren Raum des Stillstandes zu geraten, mag er aus unserer Sicht noch so kosmisch und erhaben sein.
Und obwohl in der östliche Weisheit im Wesentlichen der Drang zum Kosmischen vorherrscht, finden wir auch in deren alten heiligen Schriften Äußerungen die davor warnten:
„In der Dunkelheit weilen sie, die die Welt verehren (d.h. sich nur um die Erkenntnis des Endlichen bemühen), in noch größerer Dunkelheit aber verweilen jene, die das Unendliche allein verehren.“ (Isa Upanisad)

So ist es nicht unwichtig, welche Vorstellungen wir uns vom Weg bilden. Wird diese erste Ebene der Erleuchtung nicht als ein Ziel verstanden, sondern als die Grundlage, durch die etwas Neues in uns geboren werden kann, dann eröffnen wir uns die nächste Stufe des Erfahrbaren.


Erleuchtung II Artikel von Zoran Perowanowitsch Buchvorstellung

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