Über die „rechte Lehrer-Meditation“
Teil II
Ausgangspunkt des ersten Teils dieser Betrachtung über die sogenannte „rechte Lehrer-Meditation“ von Rudolf Steiner war die Fragestellung, wie man der darin ausgesprochenen Forderung an die Lehrer, die Aufmerksamkeit besonders auf die geistigen, in die Zukunft weisenden Impulse der Kinder zu richten, gerecht werden könne. Dabei schien es mir nötig, neben der an Waldorfschulen üblicherweise gut gepflegten individuellen Betrachtung des Kindes auch die der allgemeinen menschlichen Kulturentwicklung hinzuzunehmen, um aufzuzeigen, dass diese nachvollziehbaren Gesetzmäßigkeiten folgt. Erkennen wir diese, so verstehen wir die in der Gegenwart an uns gestellten Aufgaben und somit auch die von den Kindern aus der geistigen Welt mitgebrachten Impulse besser.
Dabei konnten wir sehen, dass die Veränderungen auf den unterschiedlichsten kulturellen Gebieten den verschiedenen Elementarebenen vom Festen über das Flüssige zum Luftigen und Feurigen folgt, also vom festen zum immer feineren Element, wobei sich auch die verschiedenen Formen der Einweihungswege jeweils dieser Entwicklung angepasst haben.
Wenn die durch die vier Elemente aufgezeigte Entwicklungsgesetzmäßigkeit für die Vergangenheit ihre Richtigkeit hat, so stellt sich die Frage, ob ihre Wirksamkeit auch in der Gegenwart und für die nächste Zukunft wahrnehmbar ist.
Das fünfte Element
Das fünfte Element wird selten erwähnt, da es sich der unmittelbaren sinnlichen Wahrnehmung entzieht. Manchmal wird es als Raum, Licht oder Äther bezeichnet, was die drei verschiedenen Ebenen dieses „Elementes“ beschreibt. Bereits mit dem Element Wärme hatten wir die übersinnliche Ebene unseres Seins berührt.
Betrachten wir, wie der Mensch die Kraft des vierten Elementes, des Feuers im weiteren Verlauf angewandt hat, so kommen wir am Ende des 18. Jahrhunderts zur Erfindung des Heißluftballons, mit dem er zum ersten Mal den Raum über sich zu ergreifen suchte. Später ermöglicht die Entwicklung des Verbrennungsmotors den die Menschheit umspannenden Erdenraum mit Hilfe des Flugzeugs immer mehr zu erfahren und schließlich durch Raketen tief in den Kosmos vorzudringen.
Am Anfang des 20. Jhdts. werden durch die Relativitätstheorie Albert Einsteins ganz neue Anschauungen über das Verhältnis von Raum und Zeit formuliert. So zeigte Albert Einstein auf, indem er sich, wie er sagte, in das Licht hineinversetzte und aus dessen Sicht die Welt betrachtete, dass die Zeit und somit auch der Raum keine festen Größen sind.
Die zur gleichen Zeit sich entwickelnde Quantenphysik wandte sich den kleinsten Elementarteilchen zu.
So zeigt sich in den quantenphysikalischen Experimenten, dass es immer mehrere mögliche Ergebnisse gibt. Welches konkret eintritt, hat keine zu erkennende Ursache und ist somit nicht vorhersagbar. Kausalität, also der Zusammenhang von Ursache und Wirkung, wie wir ihn in unserer Raum-Zeit erleben, ist auf der Quantenebene nicht vorhanden.
So wendet sich der Mensch seit Beginn des 20. Jhdts. verstärkt sowohl dem makro-, als auch dem mikrokosmischen Raum zu.
Die nächste Ebene des fünften Elementes, des Lichtes, beginnen wir uns in der Gegenwart in den verschiedensten Bereichen nutzbar zu machen. Ob es das Brennen einer DVD ist, das Einlesen der Ware an der Kasse, die Anwendung des Lasers zu Operationen, das Steuern von Waffen oder die Benutzung der Solarzelle, das Licht ist im Alltag allgegenwärtig.
Folgendes Experiment der Quantenphysik, die sich in einem ihrer Teilbereiche mit dem Licht selbst beschäftigt, ist die Grundlage für weitere technische Entwicklungen in der Zukunft.
Werden zwei Lichtteilchen (Photonen) durch eine bestimmte Anordnung der Versuchsgeräte in einen Zustand gebracht, der als „verschränkt“ bezeichnet wird, so zeigt sich, dass veränderte Eigenschaften des einen Photons sogleich als neuer „Zustand“ von dem anderen angenommen werden. Dieses Verhalten wird u.a. nun zur Entwicklung eines „Quantencomputers“ genutzt, um viele Rechenschritte gleichzeitig ausführen zu können.
So bringt uns die zunehmende Kenntnis über das Verhalten des Lichtes mit einer neuen Ebene unserer Existenz in Berührung. Dies ist durch die Gesetzmäßigkeit charakterisiert, dass zwei identische Qualitäten im Raum nicht zwei unterschiedliche Orte einnehmen können. Auf diese Weise kann das „Element“ des Lichtes als eine Brücke vom Sinnlichen zum Übersinnlichen betrachtet werden, da diese Eigenschaft auf der geistigen Ebene die Grundlage der intuitiven Wahrnehmung darstellt.
In Bezug dazu kann das gegenwärtige „elektronische Zeitalter“, das auf dem „geronnenen Licht“, beruht, nur als eine Übergangsphase betrachtet werden.
Im folgendem Bild wollen wir das bisher Dargelegte zusammenfassen:
In dieser Darstellung sehen wir den sich entsprechenden Zusammenhang zwischen der menschlichen Bewusstseinsentwicklung mit den verschiedenen Einweihungswegen und dem Erfassen der äußeren Gesetze und deren Umsetzung in der Technik. Haben wir in der Zeit vor Christus im Ergreifen der Leiblichkeit durch die menschliche Seele einen Einatmungsvorgang, einen Inkarnationsprozess, so nach der Zeitenwende einen beginnenden Exkarnationsprozess der Seele in der Ausatmung, der Heimführung durch den Christus zum Vater, wodurch die an das Element Erde angrenzenden feineren Elementarebenen ergriffen werden.
Die Bewusstseinsseele
Während sich die Seele zunächst immer mehr aus dem unmittelbaren horizontalen Bezug zum Umraum erst durch das Gefühl, später auch durch die Gemütskräfte herauszieht, erfährt sie sich schließlich mehr und mehr im „Ich-Punkt“ an der Stirn. Das hat zur Folge, dass der Mensch die Welt nun aus dem Ich heraus verstärkt in der Polarität von „Ich und Du“ erlebt. Die damit verbundene Ich-Bezogenheit trägt, einerseits eine unsoziale Komponente in sich, bildet aber andererseits die Grundlage eines vertikalen Bewusstseins in sich, das zur immer stärkeren Entwicklung der individuellen Freiheit führt.
Auf der politischen Ebene war als äußere Entsprechung dieser Entwicklung, ein Wandel zu beobachten, indem sich die Spannung zwischen Ost und West als verfestigter Ausdruck der horizontalen Bewusstseinspolarität aufzulösen begann.
Analog hierzu ist auf der gesellschaftlichen Ebene zu beobachten, wie das Verhältnis von Frau und Mann immer gleichberechtigter wird.
Diese Veränderungen sind Anzeichen dafür, dass sich verstärkt ein vertikales Bewusstsein, das der Bewusstseinsseele ausbildet, welches sich in der Polarität von Oben und Unten erlebt und den Anfang einer neuen Ebene der Auseinandersetzung mit sich und der Welt bringt.
Verstehen wir die bis hierher aufgezeigten Entwicklungsschritte, so können wir uns wieder betrachtend dem Kind zuwenden, denn es hat diese Entwicklung in Bezug zum Menschheitsbewusstsein durchlebt und bringt nun neue Impulse aus der geistigen Welt, um diesen von uns aufgezeigten Entwicklungsstrom durch die Zeit fortzuführen.
Imaginationsseele
Was wir also in der jungen Generation als wachsendes Desinteresse an der Person des Menschen und der Erde selbst wahrnehmen können, ist Ausdruck des gegenwärtigen Zeitalters der „Bewusstseinsseele“.
Gelingt es uns jedoch nicht, das abnehmende Interesse und die damit einhergehende Lieblosigkeit gegenüber dem Mitmenschen und der Erde zu überwinden, besteht die Gefahr, dass die Erde aus der Gesamtentwicklung herausgelöst wird und sich die Bewusstseinsentfaltung des Menschen nicht mehr im Einklang mit der Christuswesenheit vollziehen kann.
Aus diesem Punkt heraus lautet die entscheidende Frage an eine zeitgemäße Pädagogik, wie wir mit der wahrnehmbaren sich verstärkenden Zentrierung auf sich selbst der jungen Generation umgehen, die einerseits zur weiteren Entfaltung des menschlichen Bewusstseins nötig ist, andererseits den beginnenden Niedergang in sich trägt.
Rudolf Steiner suchte dieser Entwicklung zu begegnen, indem er durch die Begründung der Waldorfschule die Bedingungen zur Entfaltung der Imaginationskräfte schuf. Doch werden wir als Pädagogen die Berechtigung zu lehren immer mehr verlieren, wenn wir dieser Zeitforderung nicht auch innerlich zu entsprechen suchen.
Die heutige Jugend scheint oft oberflächlich, an Kleidern, Aussehen, Geld und Berühmtheit sehr interessiert, teilweise von Wirtschaftsinteressen verleitet und sich in den inneren Raum einer virtuellen Welt verkriechend. Dennoch lebt in ihr vielfach ein übergeordnetes, freies Bewusstsein, das so zuvor in der Menschheitsentwicklung nicht zu finden war. Die Überwindung des eisernen Vorhangs und das sich gegenwärtig weltweite Aufrichten gegen Fremdbestimmung zeugen von der Qualität der Bewusstseinsseele, dem sich verstärkten Ergreifen der vertikalen Ich-Kräfte des Menschen.
Der entscheidende Schritt, den wir Erwachsene auf der spirituellen Ebene zur Unterstützung der Impulse, die die Kinder aus der geistigen Welt mitbringen, tun können, besteht darin, die Ich-Kräfte, die wir zuerst in der Bewusstseinsseele verstärkt in der Polarität von Innen und Außen erfahren nun nach innen auf die Verobjektivierung der eigenen Person zu richten. Dadurch verstärken wir weiter die in uns angelegten Vertikalkräfte und beginnen uns aus der Gebundenheit an die horizontale Polarität, heraus zu lösen, die die Grundlage unserer Person bildet.
Ein neues Seelenleben entfaltet sich dadurch in uns, aus dem heraus wir die Welt nicht mehr als Polarität, sondern als Entsprechung zu uns selbst erleben, indem sie uns weisheitsvoll entgegen zu strömen beginnt. Aus der tiefen Erkenntnis, dass Ich und Welt nicht voneinander zu trennen sind, wird unser Interesse an den Mitmenschen und der Erde wieder neu belebt, da sich der Mensch nun in einem tieferen Sinn in der Welt selbst findet und erkennt. Darin findet das vorerst ich bezogene Streben im Zustand des „wunderbaren Egoismus“ seine Erfüllung.
Dadurch, dass sich die Seele verstärkt aus dem dreidimensionalen Raum herauszieht, durch den sie sinnlich gebunden wird, verlagert sich das Bewusstsein immer mehr von der Stirn zum Umraum des Hauptes. Dadurch intensiviert sich das bildhafte Erleben, so dass sich aus der Kraft der Bewusstseinsseele heraus die Seelenkraft der Imagination zu entwickeln beginn.
Dies bedeutet nicht, dass wir den äußeren Raum nicht mehr erleben können, doch die Seele beginnt sich nun wieder ihrer eigenen inneren Natur erlebend zuzuwenden.
In diesem neuen Bewusstsein erwächst uns die Erkenntnis, dass unsere Person als solche kein Eigenbewusstsein hat, sondern Inhalt unseres Bewusstseins, unseres „höheren Menschen“ ist.
Der anfänglich durch die Entfaltung der Bewusstseinsseele isolierte moderne Mensch erwacht durch die Überwindung der polaren Sichtweise von Innen und Außen zu dem einen Leben, indem ein mit Bewusstsein durchdrungener „Überraum“ entsteht, in dem wir uns gemeinsam wiederfinden können.
Dieser nächste über die Bewusstseinsseele hinausführende spirituellen Schritt bildet die Voraussetzung, um die Impulse der Kinder aus der geistigen Welt unterstützen zu können.
Diese beiden Artikel können ein Beitrag dafür sein, durch die verschiedensten Gebiete ihre Erweiterung zu erfahren.
Was mir besonders bei dieser Herangehensweise als wichtig erscheint ist, dass die Heranwachsenden erfahren, dass das Leben keine willkürliche Abfolge von Ereignissen ist, sondern Gesetzmäßigkeiten folgt, denen wir mit unserem Denken und Wollen folgen und somit Vertrauen in das Leben haben können. Eine Seelenstimmung, die die in der Welt wirkende Weisheit zu sich strömen lässt und dadurch insbesondere die Grundlage einer sich zu entwickelnden imaginativen Seelenfähigkeit bildet.
Lehrermeditation I | Buchvorstellung | Artikel von Zoran Perowanowitsch | |||||